Die Freiheit des Denkens - The Freedom of Thought

30.10.2021 - 29.01.2022

Kunstfreiheit ist ein Grundrecht und eines der am stärksten geschützten des deutschen Grundrechte-Katalogs. Aus heutiger Sicht lässt sich kaum ermessen, was es bedeutete, als Künstler in den 1950er/60er Jahren entgegen den Erwartungen des Staatsapparats der DDR ungegenständlich zu arbeiten. Die intensiven politischen Diskussionen um die Rolle der Kunst als volksbil-dendes Instrument bereits in den Anfangsjahren der DDR ließen jedoch jegliche abweichende ästhetische Positionierung als staatsfeindlich verstehen. Es ist deshalb umso erstaunlicher und bisher allzu wenig thematisiert worden, mit welchem Mut und Trotz sich eine ganze Reihe Künstler dagegen stellten. Hermann Glöckner ist der „Patriarch“ einer autonomen Szene frei denkender und zumindest im Privaten frei schaffender Künstler, deren Mittelpunkt besonders in Dresden zu finden ist. Von Künstlern seiner und späterer Generationen verehrt, hält er heute den noblen Ruf eines artist’s artist inne. Öffentliche Ehrungen seines Werkes erfolgten notwendigerweise erst in seinen letzten Lebensjahren. Seiner außerordentlichen kunsthistorischen Bedeutung wird man sich zunehmend bewusst. Nach einem figürlichen Frühwerk entfernte sich Glöckner bereits in den 1930er Jahren zunehmend vom Gegenstand. So hat sich Glöckners Werk, das aus vielen verschiedenen Schaffensphasen besteht, immer wieder neu erfunden und lässt in Form und Linie immer auch eine gewisse Nähe zu seinen frühen gegenständlichen Studien erahnen. „Ich bin eben im Grunde kein Konstruktivist, bin vor allen Dingen Maler. Aber beide Zweige meiner Arbeit haben sich zweifellos gegenseitig befruchtet.“ In der Ausstellung „Die Freiheit des Denkens“ präsentiert Döbele Kunst anhand einer breiten Auswahl seines vielseitigen Schaffens einen unangepassten Ausnahmekünstler, der heute zurecht als Meister der Moderne gilt. Gezeigt wird neben frühen gegenständlichen Arbeiten ein ganz besonderes Beispiel seines bedeutenden konstruktivistischen Tafelwerks „Schwarzweiß geteilter Keil auf Grau“ (Dittrich Tafel 22, um 1932). Auch Blätter der Mappe „Handdrucke“ in denen Glöckners Experimentierfreude deutlich wird, werden zu sehen sein. Darin wird einmal mehr deutlich: Es gibt kaum einen Malgrund oder ein Malmittel, das er nicht in seiner Verwertbarkeit getestet hat. Ein Beispiel seiner Schnur-Reliefs, eine plastische Arbeit und Serigraphien runden die Präsentation ab. Neben Glöckner werden Zeit- und „Leidensgenossen“ präsentiert, darunter sein einziger Schüler, Wilhelm Müller. Dessen Werk ist wie das Glöckners konsequent auf die Abstraktion ausgerichtet. In der Ausstellung werden neben streng graphischen Papierarbeiten auch Werke mit informellem Anklang gezeigt. Einen Schwerpunkt bilden die Streifen- und Linienbilder, aber auch die zarten Zeichnungen des Zyklus „Japanischer Zirkus“, die in ihrer Dynamik an die „Schwünge“ Glöckners erinnern. Bei Ursula Baring, die als Sammlerin regelmäßig private Ausstellungen nonkonformistischer Künstler organisierte, lernten sich Müller und Helmut Schmidt-Kirstein kennen. Schmidt-Kirsteins Werke schöpften zunächst mehr aus dem Gegenständlichen, die Formen vereinfachten sich aber zunehmend bis sie sich ganz vom Gegenstand trennten. Seit Mitte der 1950er Jahre beschäftigten Schmidt-Kirstein besonders die Monotypien, die sich durch starke Linienführung und gleichzeitig kontrollierte Flächigkeit der Formen auszeichnen und mit zahlreichen Beispielen in der Ausstellung präsent sind. Gitterartige Strukturen, starke Kontraste und ein lebendiger Farbauftrag kennzeichnen sein Schaffen bis er Ende der 1960er Jahre zum Gegenstand zurückkehrte. Seine abstrakte Schaffensperiode ist umso bedeutender vor dem Hintergrund, dass Schmidt-Kirstein keine Kontakte zum Westen pflegte, wie viele seiner ungegenständlich arbeitenden Kollegen in dieser Zeit. Ebenso wie Schmidt-Kirstein fand auch Herbert Kunze in den 1960er Jahren zur Abstraktion. Seit 1953 als Professor an der Dresdner Hochschule für Bildende Künste tätig, wurde er wegen seiner fortschrittsorientierten Lehrweise von seinen Studenten verehrt, konnte seine künstlerischen Auseinandersetzungen mit der Moderne jedoch größtenteils nur im Verborgenen ausüben. Informelle kaligraphische Tuschemalerei und Kunzes charakteristische Collagen, die sich am Kubismus orientieren, prägen sein Werk und erweitern das umfangreiche Spektrum der Ausstellung. Last but not least, auch deshalb, weil ihm richtigerweise in jüngster Zeit viel Aufmerksamkeit zuteil wird, darf Max Uhlig nicht fehlen. Er ist sicher der am gegenständlichsten arbeitende unter den präsentierten Künstlern. Seine sich in rhythmischem Duktus manifestierenden Porträts und Landschaften fordern den Betrachter zu einem „anderen“ Sehen heraus, einem Sich-Frei-Machen von vertrauten Gewohnheiten. Allen Werken Uhligs ist eine enorme Plastizität gemein. Licht und Volumen werden mal durch das Freilassen des Werkgrundes, mal durch die bis ins tiefste Schwarz gestisch übereinander gebündelten Linien erzielt. Immer ist der Künstler auf der Suche nach dem geistig-strukturellen Kern, der Wahrhaftigkeit des Objekts. Es werden großformatige Gemälde und Papierarbeiten gezeigt, die einen Schwerpunkt in der Ausstellung bilden. (EDL)

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Ausstellungsansichten

  • Werke von Hermann Glöckner - Aufschichtung von fünf Baumstammscheiben
  • Werke von Hermann Glöckner
  • Monotypie von Helmut Schmidt-Kirstein, Werke von Hermann Glöckner
  • Monotypie von Helmut Schmidt-Kirstein, rechts Horst Antes
  • Werke von Hermann Glöckner und Wilhelm Müller
  • Werke von Max Uhlig
  • Werke von Max Uhlig, im Hintergrund Matschinsky-Denninghoff
  • Werke von Herbert Kunze