LINIE FORM PAPIER Eberhard Freudenreich

23.03. - 29.04.2017

Ich durfte Eberhard Freudenreich und seine Kunst Anfang des Jahres genauer kennenlernen. In seinem Stuttgarter Atelier stapelten sich großformatige Drucke, gefaltete Papierelemente baumelten von der Decke, an der Wand hingen stromlinienförmige Zeichnungen. Allgegenwärtig war das Papier. Er bedruckt, bemalt und faltet es. Begleitende Komponente ist dabei stets die Linie, die bereits mit dem Studium der Graphik Einzug in sein Schaffen erhält. Bei den meisten Drucktechniken ist sie das bildende Element. Je nach Verfahren erzeugen die eingeschnittenen Furchen und Striche Flächen, die wiederum eine Form definieren. Dieses Vorgehen in der Druckgraphik kann als grundlegendes Prinzip für die Arbeit Freudenreichs gesehen werden. Scheint die Linie zwar das einfachste bildnerische Element in der Kunst zu sein, gelingt es Freudenreich die Konventionen, die der Linie seit Jahrhunderten in der zweidimensionalen Fläche auferlegt wurden, zu überwinden. Er führt sie weiter in den Raum. Diese Entwicklung verläuft konstant durch Freudenreichs Schaffen. Zunächst erzeugt er die Linie durch Schnitte, die entstehenden Kanten haben hier bereits einen dreidimensionalen Charakter. Durch geschichtete Papiere, die der Künstler auf Glasplatten aufzieht und in sogenannten Schiebekästen in die Waagerechte bringt, löst er sich bereits von der Ebene. Hierbei kommt auch dem Betrachter eine wichtige Rolle zu. Dieser konnte bereits durch die eigene Bewegung vor den Werken durch das Spiel von Licht und Schatten Einfluss auf selbige nehmen. Nun kann er handgreiflich die verschiedenen Ebenen der Glasplatten verändern und unterschiedliche Ein- und Ausblicke erzeugen. Einen Schritt weiter in den Raum geht Freudenreich mit den Schnittformen, diese sind nun allumsichtig und wie in einer Art Baukastensystem mit einem Verbindungsstück verbunden. Sie haben nun die typische Mehransichtigkeit einer Skulptur. Von hier aus scheint der Schritt zu den schwebenden Vögeln, die ursprünglich für ein Kunst-am-Bau-Projekt entstanden sind, nicht mehr weit. Sie sind bei uns in Mannheim nicht gefangen unter einem Glasdach, wie anfänglich konzipiert, sondern schweben filigran über der Terrasse in den Zweigen der Linde. Davon ausgehend sind seine aktuellen Papierfaltungen beziehungsweise „Additionen“, wie er sie inzwischen nennt, zu verstehen. Durch Faltungen einzelner Module, die er zusammen steckt, wird Volumen erzeugt. Dabei lässt Freudenreich offen, ob er die Form irgendwann erweitert. Generell sieht er seine Arbeiten und Werkgruppen als offen und nicht abgeschlossen. Gerade bei den dreidimensionalen Objekten kommen dem Betrachter figürliche Assoziationen in den Sinn, die der Künstler selbst allerdings nicht beabsichtigt. Aktuell kehrt Freudenreich parallel zu den Additionen auch wieder auf die Ebene zurück, indem er mit Blei- oder Buntstiften die Kanten seiner Papierformen nachfährt. Das Formenvokabular hierfür besteht aus vier biomorph anmutenden Formen, die er beschneidet, in der Größe variiert oder vervielfältigt und die sich in seinem Werk immer wieder erkennen lassen. Durch die Überlagerungen der verschiedenen Linien, die er minuziös durch Versetzungen erzeugt, erhalten die sogenannten Kantenzeichnungen einen dreidimensionalen Charakter. Freudenreichs Experiment mit Linie, Form und Papier scheint also noch lange nicht abgeschlossen zu sein und wir freuen uns schon auf die weiteren Entwicklungen. Zum einen möchte ich Ihnen den zur Ausstellung erschienen Katalog empfehlen. Sowie auf den übermorgen stattfindenden Workshop mit Eberhard Freudenreich hinweisen. Er trägt den Titel „Ecken und Kanten“ und findet in Kooperationen mit dem Verein für Kunst- und Kulturvermittlung Rhein-Neckar e.V. am Samstag hier ab 14 Uhr statt. Anmeldungen sind auch noch heute Abend möglich, sprechen sie uns gerne an. Eva Wick M.A.

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