Kopfüber. Doris Ziegler - Malerei

03.07. - 07.08.2021

Zur Ausstellung wird die Monographie „DORIS ZIEGLER. Das Passagen-Werk – Malerei“ vorgestellt. Herausgeben von Dr. Paul Kaiser, mit Aufsätzen und Bildtexten sowie dem Werkverzeichnis der Gemälde (1970-2020), Weimar 2020, ISBN 978-3-00-066335-2, 39,90 € In Doris Zieglers Gemälde „Kopfüber“ (1992) scheint die Zeit aus den Fugen und das Personal auf der Suche nach Halt – wir sehen Aggregatzustände des Menschseins in einer radikalen Umbruchssituation. Das Bild der wichtigsten Künstlerin der Leipziger Schule ist inspiriert von den gesellschaftlichen Turbulenzen nach dem Ende der DDR, die in einer Transformation des Bestehenden mündeten, und geht dennoch nicht im bloßen Verweis auf eine zeithistorische Zäsur auf. Stattdessen irritieren die Figuren unser profanes Sicherheitsgefühl. Sie versinnbildlichen den Einbruch des Unvorhergesehenen in die Statik der Lebensentwürfe – wie wir alle das erst jüngst und manche zum ersten Mal in existentieller Form erfahren mussten. Die Welt, zeigt Doris Ziegler, existiert durch Wandel und Übergang. Das hier erstmals von Döbele Kunst Mannheim im Handel angebotene Bild gehört in ihren meisterhaften „Passage“-Zyklus – wie auch das Gemälde „Aufbruch Straße“ (1988), das in visionärer Stimmung die zur Friedlichen Revolution führenden Leipziger Demonstrationen des Jahres 1989 vorwegnimmt. Zieglers hellsichtiger und zugleich schonungsloser Zyklus bündelte zwischen 1988 und 1994 die Erfahrung einer Transformation ohne historische Parallele mit offenem Ausgang. In ihm verdichten sich Facetten, Momentaufnahmen und Phasensprünge zu einem einzigartigen künstlerischen Panorama. Doris Ziegler gehört (wie ihre männlichen Kollegen Arno Rink, Volker Stelzmann und Wolfgang Peuker) zur sogenannten Zweiten Generation der weltberühmten Leipziger Schule. An der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig erhielt sie entscheidende Impulse durch ihren Lehrer Werner Tübke und später auch von Wolfgang Mattheuer. Kurz vor der „Wende“ wurde sie selbst zur Assistentin und schließlich 1993 zur Professorin für das Grundlagenstudium der Malerei berufen. Bislang wurde ihr Stellenwert für das Projekt einer Leipziger Malerschule weithin unterschätzt. Erst durch die internationale Resonanz der Ausstellung „Point of No Return“ 2019 im Museum der bildenden Künste Leipzig, die den „Passage“-Bildern der in Leipzig lebenden Künstlerin einen Saal widmete, setzte eine späte Ehrung ihres radikalen Lebenswerkes ein. Die Mannheimer Ausstellung zeigt nunmehr ein Panorama ihres Werkes mit Bildern aus den Jahren 1978 bis 2020. Vom sehnsuchtsvollen „Das Traumatelier“ (1978) reicht die Auswahl über das programmatische Selbstporträt „Selbst mit Hut und Palette“ (1983) und das durch einen Aufenthalt in den USA inspirierte Bild „New York, New York“ (1992) bis hin zu jüngeren Arbeiten, die von Reiseerlebnissen durchdrungen sind „Madonna del Ponte I“ (2015). In der Malerei war es über lange Zeit der „kühle Blick“, geschult an der neusachlichen Kunst der Zwischenkriegszeit, der Doris Ziegler interessierte und der sie unterschied von ihren Generationskollegen. Die Formfestigkeit bei der Entwicklung ihrer sich vom konventionellen Erwartungskanon loslösenden Bildfindungen erlangte die Künstlerin aber auch durch die in etlichen Schaffensphasen intensivierte Arbeit an Stillleben „Stillleben mit Schachbrett“ (2016). Hoher Respekt vor dem Bildnis hat Doris Ziegler nie vor dem Experiment zurückgehalten, gerade in der tradierten Figurenmalerei ihren Platz zu suchen. Ihren magischen Ort fand die Künstlerin dabei früh im Leipziger Stadtteil Plagwitz, dessen Architektur „Stelzenhaus III“ (2014) und Lebenswelt sie gleichermaßen faszinierte.

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